Museumstrasse Innbruck

STADTRAUM MIT WEITBLICK
Alte Universität (Jesuitenkolleg), Hofkirche und Hofburg bilden gemeinsam eine geschlossene „Stadtkante“ mit knapp bemessenen Durchlässen. Das Hinaustreten in den Grünraum der Jesuiten ist ein eindrucksvolles Erlebnis, der Blick fällt auf die “Rückseite“ der Museumsstraße, dessen Blockrand nach hinten offen geblieben ist. Diese “Rückseite“ des Wettbewerbsareals bildet gemeinsam mit dem Treibhaus entlang der Grünfläche, die derzeit als Spielfläche für die Volkschule „Innere Stadt“ dient, eine vielschichtige Stadtansicht aus, die durch die Aufstockung gestärkt werden soll.

Von der Museumsstraße kommend erfasst der freie Blick am Museumsvorplatz die Nordkette in ihrer gesamten Mächtigkeit: Gebirge, Jesuitengarten und der Fußweg entlang dem Akademischen Gymnasium verschmelzen zu einem einzigartigen Panorama.

Um die charakteristische räumliche Inszenierung durch das Rückversetzen des klassizistischen Landesmuseums “Ferdinandeum“ aus dem späten 19.Jhdt zu stärken, wird aufgrund der Analogie beider flankierender Blockrandkanten am Museumsplatz die Aufstockung betont ruhig konzipiert, sie soll den Gründerzeitdachformen entsprechen:

Wir setzen uns das Ziel, diese besondere urbane Typologie des abgeschnittenen Blockrandes, der Vermittler zwischen zwei Stadtkanten ist, den örtlichen Potentialen entsprechend weiterzuentwickeln und zu stärken. Dies führt in unserem Konzept einer Addition der vertikalen Ostfassade. Der doppelgeschoßige Dachraum wird in ein einheitliches Gewand gekleidet, ein singuläres Aussichtsfenster auf den Grünraum und die Nordkette betont präzise die Besonderheit des Ortes.

Die Dachhaut aus starren Sonnenschutzlamellen- welche den Wärmeeintrag steuern – verleihen der Fassade gleichsam Haptik und Durchlässigkeit. Ein vertikaler Konstruktionsraster verwebt den Dachaufbau mit dem darunterliegenden Bestand aus den 1970er Jahren. Die Rhythmisierung des Fassadenrasters weist ums Eck und betont die zukünftige städtebauliche Fußwegachse entlang des Treibhauses Richtung Angerzellgasse.

AUFTRITT+FREIRAUM
Im zentralen Hinterhof bleibt die charmante Welt der Balkone unverändert, das neue Hauptstiegenhaus als adäquate Adresse an der Prof.-Franz-Mair-Gasse wird durch einen zentralen Dachgarten auf mittlerer Höhe ergänzt. Der Untermietbereich liegt am neuen Hofstiegenhaus, die Cateringküche wird von hier aus erschlossen und ist direkt an der Veranstaltungszone situiert.

Bei einem Wegfall der 9 PKW-Abstellplätze im Innenhof könnte die überdachte Freifläche als Unterstand für Räder dienen, die Fußwegverbindung zum Treibhaus wäre dadurch aufgewertet. Eine fußläufige Verbindung nördlich des Treibhauses im Grünraum zur Angerzellgasse und weiter bis zum Burggraben wäre das langfristige Ziel, um den Fußweg aus der Sillgasse adäquat weiterzuführen.

NEUE PERSPEKTIVEN
Das Gipfelstürmerdeck wird großzügig verglast und öffnet sich zum vis-à-vis stehenden Jesuitenkollege, und zum dazwischen liegenden Grünraum. Über der Empfangsebene als “Belle Etage“- durch die Sitzstufenanlage mit dieser verlinkt – liegen die Räume der Geschäftsführung der „Lebensraum Tirol Holding“. Die Gemeinschaftsnutzung aller Abteilungen ist zentral angeordnet, rundum wechseln kontemplative und kommunikative Orten mit fokussierten und weiten Ausblicken.

Erreicht der Besucher den Empfang, lädt ein großzügiges Atrium zum Verweilen ein. Der Innenraum erstreckt sich an dieser Stelle über drei Ebenen und sorgt für Übersichtlichkeit. Der gesamte Bereich der gemeinsamen Infrastruktur aller Abteilungen zieht sich von hier Weg wie eine Lebensader durch das offene Haus, Stege in den oberen Etagen erwecken Neugier: Steigt man die kommunikative Sitztreppe – mit der Nordkette im Blickfeld hinauf -, dann rückt die Dachlandschaft als Vordergrund ins Bild. Durch die weiterführende Treppe ins Dachgeschoß entsteht zusätzliche Dynamik mit wechselnden Perspektiven. Der Weg ist gleichermaßen Inszenierung, Ort zum Innehalten, Tratschen, aber auch Auditorium und Theater.

Der Dachboden wird hier zu einer Art Wintergarten, ein heller Raum zwischen Innen und Außen. Von den gemeinschaftlichen Kommunikationsbereichen an höchster Stelle unter dem Lamellendach blickt man gefiltert auf das neue Veranstaltungsdeck aber auch die imposante Kuppel des „Ferdinandeums“ und die akzentuierte Silhouette der Museumsstraße. Beim weiterführenden Rundgang durch einen move+relax-Bereich, Gemeinschaftsküche mit Mittagstisch, Dachterrasse und die desk-sharing-zone erlebt man das gesamte Bergpanorama der Berge im Süden von Innsbruck.

Die Verglasungen sind vertikal, ein begleitender Grünstreifen leitet zum sonnengeschützten Dachgarten im zentralen Dachbereich. Er ist Ort der Pause und zum Wohlfühlen im Freien für die Mitarbeiter*innen, ein verglaster Gang führt hindurch und lässt Regen oder Schnee wie auf einem Berggrat jahreszeitlich miterleben. Die Pflanzen an der Fassade und Dachgarten fungieren als konstruktiver Sonnenschutz für die Aufenthaltsebene und ranken an manchen Stellen durch die Lamellenschicht nach Außen durch. In Summe bietet das Haus der „Lebensraum Tirol Holding“ auf allen Ebenen ein eindrucksvolles Schauspiel, dessen Akteure die Stadt selbst und ihre großartige Umgebung sind.

MATERIAL+ KLIMA
Das Bauwerk erscheint am ersten Blick monolithisch. Dennoch ist es offenporig: durch die Lamellenstruktur ist es stets im kommunikativen Austausch mit der Umgebung, bleibt jedoch unaufdringlich. Fassade und Dach sind durch konstruktive Elemente strukturiert und setzten abends als „Lichtkörper“ ein Signal für einen Ort der modernen Kommunikation und eine zeitgemäße Antwort im Umgang mit Dächern im Denkmalschutzbereich.

Der bestehende Erker erhält ein transluzentes Kleid , das Vordach beim Haupteingang wird überhöht und erhält das Label der „Marke Tirol“ als Wegweiser. Das helle Kleid hüllt einerseits den Dachbaukörper ein, betont andererseits den Dachsaum und vernetzt durch die gewählte Farbgebung den historischen Bestand mit dem 70er- Jahre-Bestand und dem Dachbaukörper, es entsteht ein unaufgeregtes Ganzes.

Eine der Zeit und dem Ort entsprechende Eigenständigkeit der drei Elemente und subtile Unterschiede charakterisieren das Erscheinungsbild des jeweiligen -seinem Alter entsprechend. Die Haptik der Konstruktion und die unterschiedliche Tiefe der dahinter verborgenen Freiflächen verleihen der Fassade Spannung und Tiefe.

Der gewählte Farbton und die Materialität und die Kombination der Alu- Glasfassaden mit sandgestrahlten Weißzementelementen ergänzen das Ensemble mit entsprechender Eleganz und treten nicht in Konkurrenz zum historischen Umfeld.

In Summe entsteht ein Stück Stadt im Kleinen, das durch räumliche Spannung und einer Vielfalt an Durchblicken und Atmosphären zu einer Bühne für Innovation + Neuen Prozessen werden kann – und die Lust auf eine Bespielung mit der „Marke Tirol“ erwecken soll.

Status
Wettbewerb 3. Preis

Innsbruck
2022

Auftraggeber
RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co

Projektpartner
architektin iris reiter

Visualisierungen
expressiv

Team
Monika Furtner
Jakob Fuchs
Andrea Hofer
Iris Reiter
Gernot Hertl