Frautor

Im Jahr 2007 begann der Rotary Club Steyr an prominenten Aussichtspunkten in der Steyrer Altstadt Informationsstelen zu installieren, auf denen die Aussicht und die historische Situation erläutert ist. 2021 wird mit der Nachbildung des Frautors in der Sierningerstraße ein neues Wahrzeichen der Stadt Steyr übergeben.

Von Sierning kommend war der Eingang zur mittelalterlichen Stadt Steyr das ehemalige Frautor. Heute nur noch an wenigen Spuren erkennbar sollte diese Schwelle mitten im heutigen Stadtteil Steyrdorf atmosphärisch gestärkt und dem Ort angemessen visualisiert werden.

Ausgehend von einer Station des Rotary Panoramaweges wird eine Informationsstele gedanklich nach oben verlängert, geknickt und auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder zum Boden geführt. Dieses Band aus einem 60 Zentimeter breiten Cortenstahlprofil zeichnet die abstrahierte Silhouette des historischen Frautors nach und beschreibt in Kombination mit einer Einarbeitung des Grundrisses im Straßenpflaster ein dreidimensionales Bild. Abstrakt und prägnant, ein identitätsstiftendes Landmark für Steyrdorf ebenso wie ein archäologisches Sichtbarmachen der historischen Schwelle. Die räumliche Dimension des ursprünglichen Bauwerks wird vorstellbar.

Für geschichtlich Interessierte ist am neuen Frautor der historische Bezug des Standortes und der Verlauf der Stadtbefestigung erläutert. Es dient also tatsächlich auch als Informationsstele.

Skulptur und Denkmal zugleich.

 

Zur Geschichte:

Das Frautor war eines von ehemals acht Stadttoren in Steyrdorf. Unter Kaiser Friedrich III. wurde es zum Schutz der Stadt gegen die Ungarn unter Matthias Corvinus erbaut. Nach kaiserlichem Willen war „die Stadt mit Gräben, Mauern … und zur Wehr zuzurichten“. Nach der Befestigung der inneren Stadt (Enge—Stadtplatz—Burg- und Pfarrgasse), die an die Burgmauer  anschloss und im 14. Jahrhundert verstärkt wurde, wurden die Vorstädte Steyrdorf und Ennsdorf erst 1407 in den Burgfried miteinbezogen. In dieser Zeit dürfte die erste Stadtbefestigung von Steyrdorf entstanden sein (Badtor in der Badgasse, Brittingertor beim Dunklhof, Örtltor in der Schlüsselhofgasse).

1478 forderte Kaiser Friedrich III. von Städten und Burgen die Verstärkung der Verteidigungsanlagen und  gewährte der Stadt Steyr zur Finanzierung der Bauten, die der kaiserliche Baumeister Martin Felser beaufsichtigte, eine Erhöhung der Mautgebühren. Die Erbauung des Frautors steht daher im Zusammenhang mit dem kaiserlichen Aufruf. Das Tor war Teil der  zweiten Befestigung von Steyrdorf die vom Tor am Schaurstein (Fabrikgasse), Frauenstiege, Frautor  (Sierningerstraße), Frauengasse, Schuhbodentor, östlicher Wieserfeldplatz mit Rundturm zum Tor in der Gleinker Gasse weiterführte. Über die Uprimmy-Stiege (hier ist die ehemalige Wehrmauer noch erhalten) zum Taborweg (die Art der  Befestigung an der Hangkante, gemauert oder lediglich Palisaden, ist nicht belegt) führte die Befestigungslinie weiter zum Taborturm. Dieser Turm wurde als östliches Bollwerk der Stadtteilbefestigung errichtet. Vom Turm zog eine noch heute erhaltene Wehrmauer zum Örtltor und stellte somit die Verbindung zur alten Steyrdorfer Befestigung her.

Das Frautor wurde 1843 abgebrochen. Vor dem Abbruch wurde der Bestand durch einen Plan noch dokumentiert. Das Tor in der Sierninger Straße war zweigeschossig ausgeführt. Es sprang in die heutige Frauengasse entsprechend vor. Die Nordfassade hatte im Erdgeschoß zwei schartenfömige Öffnungen,
mit denen die Stadtmauer in der heutigen Frauengasse wehrtechnisch gesichert werden konnte. Südseitig
war zum Zeitpunkt des Abbruches ein Pferdestall angebaut, der durch eine Tür vom Tor aus betreten werden konnte. Die Ostfassade hatte nur die Toröffnung aufzuweisen, während die Westfassade hingegen links und rechts der Toröffnung zusätzlich je eine schartenfömige Öffnung aufwies.

Die Torhalle war kreuzgratgewölbt, nordseitig führte eine einfache Treppe zur Türmerwohnung ins erste Obergeschoß. Die tonnengewölbte Türmerwohnung umfasste neben einem Vorhaus eine winzige Küche, eine Kammer und ein beheizbares Zimmer. Nordseitig befand sich im Zwickel zwischen dem Turm und dem  anschließenden Wohngebäude die Toilette. Zum Zeitpunkt der Planaufnahme fehlte das Dach des Torturms. Dieses wurde beim großen Brand von Steyrdorf 1842 zerstört und in Folge nicht wieder errichtet. Im Vergleich mit dem noch bestehenden Kollertor und dem ehemaligen Tor in der Gleinker Gasse ist für das Frautor ein steiles Walmdach mit nach Nord-Süd verlaufenden First anzunehmen. Der Dachfirst dürfte von einem mächtigen Schornstein überragt worden sein.

(Quellen: Bescheid Zl. 8190/75 vom 9. Oktober 1975 des Bundesdenkmalamts anlässlich der Unterschutzstellung des Kollertores, Kollergasse 16 Das Frautor nach einem Plane aus dem Jahre 1843 – Stadtarchiv Steyr, Sammlung Berndt.)

Franziszeischer Kataster | 1826

1     Tor am Schaurstein
2     Frautor
3     Schuhbodentor
4     Gleinker tor
5     Brittingertor
6     Tor in der Badgasse
7     Steyrtor
8     Ennstor
9     Schlosstor
10    Taborturm
11     Örtltor

Status
Gebaut

Steyr
2019-2021

Auftraggeber
Rotary Club Steyr

Initiatoren
Christoph Jungwirth
Alexander Stellnberger
Willfried Schönfelder
Michael Atteneder

Unterstützer
Stadt Steyr, Bgm. Gerald Hackl
Bundesdenkmalamt OÖ, Stefan Weber
BDA Archäologie OÖ, Heinz Gruber
Riegler Metallbau
Mayr Bau
KSM Ingenieure
Atteneder Grafik Design

Archäologische Baubegleitung
archnet | Bau- und Bodendenkmalpflege GmbH

Fotos und Film
Faruk Pinjo

Bildnachweis historische Skizze
Franz Hölzlhuber, 1839
Fotosammlung H.Kern

Team
Ulla Zinganell
Katharina Höfler
Gernot Hertl